Konferenz

„Das war mal unsere Heimat…“ Jüdische Geschichte im preußischen Osten. Forschungsstand und Forschungsperspektiven

Termin
OrtDeutsches Historisches Museum Berlin

Durch die Nachkriegsordnung Europas in Folge des Potsdamer Abkommens vom Sommer 1945, die damit verbundene Westverschiebung Polens und Eingliederung des nördlichen Ostpreußen in die Sowjetunion sowie durch die Jahre des „Eisernen Vorhangs“ gerieten wichtige Aspekte der Geschichte der preußisch-deutschen Ostprovinzen in Vergessenheit. In Westdeutschland wurde die Erinnerung an diese historischen Landschaften, sofern sie in der Gesellschaft überhaupt eine Rolle spielte, lange Zeit von Interessenverbänden geprägt; die jüdische Geschichte hatte darin kaum Platz. In DDR herrschte ein staatlich verordnetes Schweigen, in der Sowjetunion eine ebenfalls offiziell sanktionierte gesellschaftliche Amnesie. Und in Polen war die deutsche Geschichte vor 1945 lange Zeit tabuisiert, umgedeutet oder verschwiegen. Das schwierige polnisch-jüdische Verhältnis bot ebenfalls wenig Raum für die deutsch-jüdische Geschichte. Während in Deutschland an vielen Orten mittlerweile der einstigen jüdischen Nachbarn gedacht wird, war vor allem bis 1989 kaum im Blickfeld von Deutschen, Litauern, Polen und Russen, dass auch in Landsberg an der Warthe oder Flatow, in Lyck oder Liegnitz die Synagogen geschändet und in Brand gesteckt wurden, Deportationszüge von Stettin und Schneidemühl, von Königsberg und Tilsit oder von Breslau direkt in den Tod führten und die Juden des Memellandes in das Visier nationalsozialistischen Terrors gerieten.

Mit der Überwindung der Teilung Europas hat sich einiges geändert: Breslau, Danzig, Königsberg, Memel, auch einige andere jüdische Gemeinden sind partiell erforscht; ein großes Desiderat bilden aber nach wie vor die ländlichen und kleinstädtischen Gemeinden oder Großstädte wie Stettin. Vor allem überwog bislang eine Darstellung aus amtlichen Quellen – der sogenannten Judenakten der preußisch-deutschen Verwaltung. Forschungen über Antisemitismus, Ausgrenzungs- und Vertreibungspolitik und schließlich den Massenmord liegen dagegen bislang kaum vor. Nur ganz selten ist es gelungen, jüdische Selbstzeugnisse zu erhalten.

Versunken in der Geschichte sind diese deutsch-jüdischen Lebenswelten im preußischen Osten. Dabei stehen sie am Anfang des großen Aufbruchs in die Moderne. Ohne die Gemeinden des preußischen Ostens ist Berlins und Deutschlands jüdisches Leben nicht vorstellbar, wie nicht zuletzt ein Blick auf die Grabinschriften der jüdischen Friedhöfe Berlins zeigt. Aus den preußischen Ostprovinzen ― aus Schlesien, Pommern, Ost- und Westpreußen, Pommern und der Neumark, aber auch den nach dem Ersten Weltkrieg polnisch gewordenen Provinzen Posen und Westpreußen ― kamen Juden in die wachsende Metropole Berlin, ein Aufbruch aus der Enge der Provinz in die moderne Großstadt. Hannah Arendt aus Königsberg oder Heinz Galinski aus Marienburg künden von dieser reichen Tradition.

Die Tagung will den neuesten Forschungsstand zur Geschichte der deutschen Juden, die jenseits von Oder und Neiße zu Hause waren, präsentieren. Sie will die kulturelle Vielfalt der jüdischen Geschichte im preußischen Osten ebenso wie die Verfolgung und Vernichtung, aber auch die Erinnerung an diese Geschichte insgesamt thematisieren und Perspektiven der Forschung aufzeigen.

Weitere Informationen:
www.dhm.de/sfvv/veranstaltungen.html